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Universitätsarchiv Forschung

Übernahme und Erschließung des Vorlasses Josef Dvorak

Info

Als Lektor der „Blutorgel“ ist Josef Dvorak einer der Mitbegründer des Wiener Aktionismus. Seine Satanismus-Expertise hat ihn zudem über Jahrzehnte hinweg in Politik und Medien zu einem gefragten Gesprächspartner gemacht. Die Vielfalt seines künstlerischen und publizistischen Wirkens ist im Vorlass, der zunächst an die Dokumentationsstelle für neuere österreichische Literatur (Literaturhaus Wien) übergeben wurde, unmittelbar greifbar. Zu den prominentesten Dvorak-Rezipient:innen gehört Elfriede Jelinek, die sich in ihrem 1995 erschienen Roman „Die Kinder der Toten“ mehrfach ausdrücklich auf Dvorak bezieht.

Diese Verbindung, auf die sich die Übergabe des Materials an das Literaturhaus Wien stützte, erschien dem Leiter Robert Huez nach einer ersten Sichtung und Erschließung nicht ausreichend, um den Vorlass am Literaturhaus anzusiedeln.

Seinen umsichtigen Bemühungen ist es zu verdanken, dass das Archiv der Angewandten, welches als Plattform für künstlerische und kunsthistorische Forschungsprojekte fungiert, den Vorlass nun in Form einer Schenkung des Literaturhauses endgültig beheimaten und damit der zukünftigen Forschung zur Verfügung stellten kann. Die ersten Schritte betreffen die Sichtung und Versorgung sowie die Eingliederung in das Sammlungsmanagement von Kunstsammlung und Archiv, in dessen Bestand sich bereits Werke zum Wiener Aktionismus befinden. Der Vorlass wird nach der Erstversorgung der Forschung zur Verfügung stehen, um Dvoraks kulturhistorische Bedeutsamkeit sichtbar zu machen.

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Die Galerie Wienerroither und Kohlbacher hat 2019 mit der Publikation über Josef Dvorak einen ersten Schritt zur Würdigung der Arbeit von Josef Dvoraks unternommen:

Über Josef Dvorak:

Studierter Theologe, Journalist, Psychoanalytiker, Performance-Künstler und Satanologe, der „Liebe Gott von Wien und Guru des Waldviertels“ beherrscht das Spiel der tausend Rollen, er versteht es, seine Unterstützer und Kritiker auf Distanz zu halten. Ob „Graue Eminenz“ oder „Hansdampf in allen Gassen“, ob Trickster oder doch „Gralshüter des Aktionismus“ – feststeht, Josef Dvorak war der erste Galerist der Wiener Aktionisten. [...]

So eröffnete Josef Dvorak 1963 in der Lagergasse Nr. 2, im 3. Wiener Gemeindebezirk, im ehemaligen trotzkistischen Keller der 4. Internationale (er war der Chef des trotzkistischen Studentenclubs), „die erste und einzige Happening-Galerie Österreichs“. Dvorak füllte damit eine Lücke in der Wiener Galerieszene, er positionierte sich in polemischer Abgrenzung zu den wohlsituierten, „in spätbürgerliche Erstarrung“ befindlichen Galerien Fuchs-Fischhof, Würthle und zur Galerie nächst St. Stephan. Er half bei der Materialbeschaffung, leitete die Aktion durch programmatische Statements ein, gestaltete die PR. Dvoraks Ausstellungs- und Diskussionsraum avanciert zu einem festen Bestandteil der Subkultur, doch auch international werden die Aktionen von Nitsch, Frohner und Muehl zur Kenntnis genommen. [...]

Die Entstehung der Blutorgel, des Manifests und der gleichnamigen Zeitschrift ist legendär, sie erinnert dramaturgisch an ein Initiationsritual und gilt als der Beginn des Wiener Aktionismus. Am 2. Juni 1962 erfolgt die feierliche Einmauerung von Muehl, Frohner, Nitsch und Dvorak im Gewölbe der Perinetgasse Nr. 1, im 20. Wiener Gemeindebezirk. [...]

Neben seiner Tätigkeit als Galerist wirkt Josef Dvorak als Journalist und Schriftsteller. [...]

Als freier Schriftsteller forscht er zur okkulten Szene im Wien des Fin de Siècle, verortet die Wurzeln des modernen Satanismus, der auch mit sexualmagischen Riten experimentierte, in einer Villa auf der Hohen Warte in Wien, hält Vorträge, schreibt sein berühmtes Buch über Satanismus. Geschichte und Gegenwart, spricht crowleyanische Verse auf eine Platte ein, zelebriert mit Freunden Ritual-Performances, auch des FORVM forcierte er wie kein anderer die Wiederentdeckung des Psychoanalytikers Otto Gross in Österreich. [...]

Josef Dvorak sammelte in erster Linie Bücher und Zeitschriften. Kein handfesterer Beweis seiner Belesenheit und vielfältigen Interessen als die zirka 3000 Bände seiner Privatbibliothek, die im Wesentlichen erhalten sind und zusammen mit den Manuskripten und Dokumenten dem Literaturhaus Wien als Vorlass zur weiteren Bearbeitung übergeben wurde. [...]

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Quelle: Kira Kaufmann, „Nur ein Hund kehrt zu dem zurück, was er erbrochen hat“. Über Josef Dvorak. Wien: Kunsthandlung Wienerroither und Kohlbacher 2019.

Bilder

Übernahme Vorlass Josef Dvorak, Foto: Kira Kaufmann
Personen von links nach rechts: Eleonora Lichtenecker, Nathalie Feitsch, Silvia Herkt, Robert Huez (Literaturhaus Wien), Philipp Hubmann (Literaturhaus Wien),

Kunstsammlung und Archiv, Universität für angewandte Kunst Wien

Übernahme Vorlass Josef Dvorak, Foto: Kira Kaufmann

Kunstsammlung und Archiv, Universität für angewandte Kunst Wien

Übernahme Vorlass Josef Dvorak, Foto: Bettina Buchendorfer
Personen von links nach rechts: Judith Burger, Silvia Herkt, Kira Kaufmann, Eleonora Lichtenecker, Nathalie Feitsch, Philipp Hubmann (Literaturhaus Wien), Robert Huez (Literaturhaus Wien)

Kunstsammlung und Archiv, Universität für angewandte Kunst Wien

11.405/Q

Auszug aus dem Manifest zur "Blutorgel"

Kunstsammlung und Archiv, Universität für angewandte Kunst Wien

11.405/Q

Auszug aus dem Manifest zur "Blutorgel"

Kunstsammlung und Archiv, Universität für angewandte Kunst Wien

MKL 5/89/2/Pl

Plakat: Josef Dvorak. Zum Kunsthistorischen Umfeld des Wiener Aktionismus. Vorlesung und Seminar, 1989

Kunstsammlung und Archiv, Universität für angewandte Kunst Wien