Zum Inhalt springen

University Archive Research

Zum Internationalen Tag der Archive am 9. Juni 2021

Einblick in das Universitätsarchiv
und das Fotoarchiv der Elly Niebuhr

Elly Niebuhrs vielfältiges fotografisches Werk illustriert ein knappes Jahrhundert österreichischer Zeit- und Alltagsgeschichte. Von ihren Fotoreportagen aus den krisengeschüttelten Vor- und Nachkriegsjahren bis hin zu den Mode- und Werbeaufnahmen der frühen 1980er Jahre „berichten ihre Bilder von den politischen Hoffnungen und Enttäuschungen, von den Träumen und den kollektiven Wahrnehmungen der jeweiligen Zeit.“ (Anton Holzer, 2009)

1914 als Elly Prager-Mandowsky in eine Wiener jüdische Familie geboren, begann Elly Niebuhr Mitte der 1930er Jahre - während ihrer Ausbildung zur Fotografin im Portraitsalon von Hella Katz - neben Straßenszenen vor allem die sozial fortschrittlichen Gebäude und Einrichtungen des „Roten Wien“ fotografisch festzuhalten. Ihre politisch motivierten Sozial- und Stadtreportagen der Zwischenkriegszeit gelten heute als einzigartige Dokumente österreichischer Zeitgeschichte.

Vor dem Hintergrund des sich ausbreitenden Nationalsozialismus floh Elly Niebuhr 1940 über London nach New York, wo sie als Portraitfotografin beschäftigt war und kehrte nach dem Zweiten Weltkrieg nach Wien zurück.

Hier nahm sie ihre Arbeit an den Fotoreportagen wieder auf. Als Pressefotografin dokumentierte sie den rasanten Wandel Wiens der unmittelbaren Nachkriegszeit mit Aufnahmen vom Wiederaufbau einer noch kriegsbeschädigten Stadt ebenso wie von politischen Ereignissen, Straßen- und Alltagsszenen im Zeichen des wirtschaftlichen Aufschwungs. In ihren einfühlsamen Milieustudien werden vor allem auch die sozialen Widersprüche jener Zeit sichtbar.

In den 1960er Jahren avancierte Niebuhr zur gefragten Mode- und Werbefotografin. Bis in die frühen 1980er Jahre arbeitete sie für die renommiertesten Wiener Salons der Haute Couture, wie Adlmüller, Höchsmann, Faschingbauer, Farnhammer, Henrik, Havas oder Dobyhal, unter anderen auch für die Pelzhäuser Foggensteiner, Liska. Einige der gefragtesten Mannequins und Modelle dieser Zeit, unter ihnen Helga Eckstein, Monika Stoppel, Elfie Freismuth, Elisabeth Fallenberg, Charlotte Telkes, Angelika Schubert, Hanni Ehrenstrasser oder Brigitte Asthalter traten dazu vor ihre Kamera. Neben gehobenen Modehäusern und Boutiquen wie etwa Haider-Petkov, Trixi Becker, Flamm, India Boutique zählten aber auch die großen Kaufhäuser wie Gerngross oder Palmers zu ihren Auftraggebern.

Als Werbefotografin fotografierte Niebuhr sämtliche Güter des sich immer weiter verbreitenden Massenkonsums für bekannte und geschätzte Wiener Geschäfte und Firmen wie Rasper, Slama, Wiener Werkstätte, Thonet, Ostovics (vorm. Groh), Rosenthal-Studio und viele mehr.

Ihre fotografischen Inszenierungen erschienen in den gängigen Drucksorten jener Zeit wieder - in Tageszeitungen (VolksstimmeNeues ÖsterreichKurierPresse etc.), illustrierten Mode- und Frauenzeitschriften (BrigitteFür SieDie Frau etc.), aber auch in Anzeigenkampagnen, Katalogen, Plakaten für Modeschauen, Inseraten und Aussendungen etc..

Elly Niebuhrs Fotoarchiv ist - mit Ausnahme der Aufnahmen, die in New York entstanden - in einem Konvolut von Fotoabzügen, zahlreichen Kuverts mit Tausenden von Negativen aus den Jahren 1937 bis in die 1980er Jahre, sowie Pressematerial und Zeitungsausschnitten zum größten Teil erhalten.

2009 übergab sie den größten Teil ihres fotografischen Schaffens der Universität für angewandte Kunst Wien in einer großzügigen Schenkung. Elly Niebuhr verstarb im Alter von 99 Jahren in Wien. Nach ihrem Tod ergänzte Tommy Gellert, der Sohn von Elly Niebuhr, im Rahmen einer weiteren Schenkung das Fotoarchiv, das nun für die Forschung zur Verfügung steht. 

2010 zeigte die Universität für angewandte Kunst Wien erstmals Elly Niebuhrs fotografische Sozialreportagen in der Ausstellung „Wiederentdeckte Fotos von Elly Niebuhr - die 1950er Jahre in Wien“.  

Literatur

Anton Holzer: Elly Niebuhrs - Fotografin aus Wien. Alltag und Haute Couture. Wien: Böhlau 2009

Iris Meder, Andrea Winklbauer (Hg.): Vienna’s Shooting Girls. Jüdische Fotografinnen aus Wien. Wien: Metro 2012 (Ausstellungskatalog Jüdisches Museum Wien). 

Bilder

NIE/111/F
NIE/135/F
NIE/145/F
NIE/166/F
NIE/257/F
NIE/270/F
NIE/274/F
NIE/284/F
NIE/1016/F
NIE/1023/F
NIE/1044/F
NIE/1052/F
NIE/1105/F
NIE/1140/F
NIE/1242/F
NIE/1313/F
NIE/1316/F
NIE/1578/F
NIE/1720/F
NIE/1739/F
NIE/1744/F
NIE/1983/F
NIE/2343/F
NIE/2403/F
NIE/2710/2/F