Nachruf Edith Hoffmann 1907–2016
In Erinnerung an die Kunsthistorikerin Edith Hoffmann
Am 4. Januar dieses Jahres verstarb Edith Hoffmann-Yapou im Alter von 108 Jahren in Jerusalem. Mit ihrer Monografie „Kokoschka. Life and Work“, die 1947 in London erschien, hatte sie eine „Pioniertat“ (Heinz Spielmann) unter äußerst schwierigen Umständen geleistet. Die Grande Dame der Kokoschka-Forschung wurde kürzlich in einem Nachruf im Burlington Magazine gewürdigt (1). Mit großer Wertschätzung sollen auch hier ihre wichtigsten Lebens- und Arbeitsstationen genannt werden. Sie wurde am 24. Juli 1907 in Wien als Tochter des böhmischen Schriftstellers, Journalisten und Diplomaten Camill Hoffmann geboren. In Hellerau bei Dresden und in Berlin aufgewachsen, lernte sie schon als Kind Oskar Kokoschka kennen: ihr Vater hatte 1917 Kritiken über seine Malerei und sein frühes dramatisches Schaffen geschrieben. Edith Hoffmann studierte Kunstgeschichte in Berlin, Wien und München und promovierte bei Wilhelm Pinder 1934 zum Thema „Die Darstellung des Bürgers in der deutschen Malerei des 18. Jahrhunderts“. Im selben Jahr ging sie nach London, wo sie für das British Museum arbeitet. Damals lernte sie auch den Kunsthistoriker und Kritiker Herbert Read kennen. Dieser war Herausgeber des Burlington Magazines, wofür Edith Hoffmann ab 1938 als „Editorial Assistent“ arbeitet. In den folgenden sechs Jahrzehnten hatte sie mehr als 150 Artikel für diese wichtige Zeitschrift verfasst. Zugleich arbeitet sie bei den Vorbereitungen zur legendären Ausstellung „Twentieth-Century German Art“ mit, die 1938 in den New Burlington Galleries gezeigt wurde: die Schau versammelte eine Reihe von Arbeiten von Künstlern, welche im Dritten Reich als „entartet“ diffamiert worden waren. Im „Artists‘ Refugee Commitee“ (ARC) half sie, die Flucht von Mitgliedern des „Oskar-Kokoschka-Bundes“ in Prag zu organisieren. Viele von ihnen waren aus Deutschland geflüchtete Künstler, die mit der drohenden Okkupation der Tschechoslowakei erneut gefährdet waren. Auch Kokoschka selbst konnte so im Oktober 1938 nach London fliehen. Ihre in Prag lebenden Eltern unterschätzten die Gefahr: sie wurden 1944 in Auschwitz ermordet.
Schon bei einem Besuch bei OK in Prag 1937 entwickelte sie das Projekt, eine umfassende Monografie zu schreiben. Der Plan wurde nach Kokoschkas Flucht ab 1940 mit viel Enthusiasmus verfolgt. Die Arbeitsumstände waren allerdings mehr als schwierig: abgeschnitten von vielen Quellen, war kriegsbedingt und durch die „Kunstsäuberungen“ der Nazis der Standort, oder schlicht die Existenz vieler Arbeiten Kokoschkas völlig ungewiss. „Kokoschka. Life and Work“, 1947 bei Faber & Faber erschienen, wurde zu der OK-Monografie schlechthin. Die Autorin blieb mit dem Künstler bis zu dessen Lebensende (1980) freundschaftlich verbunden. 1951 verließ sie London mit ihrem Mann, dem israelischen Anwalt, Journalisten und Diplomaten Eliezer Yapou und lebte u.a. in New York, Amsterdam, Südafrika, Paris und schließlich Jerusalem, wo sie bis ins hohe Alter hinein in wichtigen Fachpublikationen ihre kunsthistorische Arbeit fortsetzte.
(1) Régine Bonnefoit, Edith Hoffmann (1907-2016), in: Burlington Magazine CLVIII, April 2016, S. 289f.
Foto: Edith Hoffmann, um 1937, Edith Hoffmann family collection