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Oskar Kokoschka Centre News

"Kokoschka Babája - Kokoschkas Puppe"
Krisztián Gergye & Gloria Benedikt

Budapest 2015/2016

Kokoschka babája - Kokoschkas Puppe

Tanztheater mit Krisztián Gergye & Gloria Benedikt

Ausgangspunkt dieses Tanztheaterprojektes war der Roman „A Boneca de Kokoschka“  („Kokoschkas Puppe“). Der portugiesische Schriftsteller Afonso Cruz hat darin die amour fou zwischen Kokoschka und Alma Mahler verarbeitet, nach deren Ende sich der Künstler eine lebensgroße Puppe nach der ehemaligen Geliebten geschaffen hatte (1918/19). Die berühmte Liebes- und Leidensgeschichte verknüpfte der Autor mit einer komplexen Geschichte des Holocaust bis in die Gegenwart und erhielt dafür 2012 den Literaturpreis der Europäischen Union. Die Erzählung ist inzwischen in ein Dutzend Sprachen übersetzt, darunter auch ins Ungarische - aber leider bislang noch nicht ins Deutsche oder Englische.

Krisztián Társulata Gergye, das bekannte enfant terrible der ungarischen Tanzszene, war von der literarischen Vorgabe fasziniert und fand in der österreichischen Tänzerin Gloria Benedikt eine kongeniale Partnerin, die Geschichte für das Tanztheater fruchtbar zu machen. Die Produktion „Kokoschka babája - The Doll of Kokoschka“ hatte im Rahmen des „Bridging Europe“-Festival im September 2015 im Budapest Premiere - ein Zeitpunkt allerdings, wo die „europäischen Brücken“ durch die Flucht abertausender Menschen aus europanahen Kriegsgebieten einer enormen Belastungsprobe ausgesetzt waren. Im Frühjahr 2016 konnte man das Projekt im Rahmen des ungarischen Tanzfestivals im MÜPA in Budapest mit großem Erfolg erneut erleben.


Gergye und Benedikt hatten schon 2013 mit „egoegoego“ ein ambitioniertes Projekt zu Egon Schiele verwirklicht. In „Kokoschka babája“ wird mit Vor- und Rückblenden die Biografie des jungen OK mit jener Alma Mahlers verwoben, getragen von zeitgenössischer Musik (nota bene) von Gustav Mahler, Arnold Schönberg, Alfred Schnittke, Richard Wagner und (zeitgleichen) tanzhistorischen Zitaten aus Stravinskys aufsehenerregender Uraufführung von „Le Sacre de Printemps“ (1913). Die beiden Tänzer sind weitgehend alleine auf der Bühne: wichtige Personen oder Persönlichkeitsfacetten werden in virtuoser Weise über Puppen visualisiert. Zu den Höhepunkten zählt zweifellos ein als „pas de deux“ getarntes Solo Gergyes (OK) mit der Alma-Puppe oder der Todeskampf des im Ersten Weltkrieg lebensgefährlich verletzten Künstlers: eine Solopartie inmitten eines beklemmenden Leichenberges von Puppen. Die meist klischeehafte Behandlung der Liebestragödie wird in der Figur der Alma besonders gelöst: so verkörpert Benedikt als „Alma-Anima“ eine Eigenständigkeit, die ihr in der latent machistischen Erzählweise aus der Kokoschka-Perspektive meist fehlt. Das (teils digitale) Bühnenbild und die vielfältigen Kostüme verdichten die Szenerie. Ein außergewöhnliches Bühnenerlebnis - man kann nur hoffen, dass es auch bald in Österreich zu sehen sein wird, dort, wo die Geschichte ihren Anfang nahm.

Premiere: 13. September 2015 im Rahmen des „Bridging Europe“-Festival

Foto: Dömölky Dániel